Jugendliche besuchten im Rahmen von Werkraum W unsere Werkstätten, um eigene Produkte herzustellen. Wir arbeiteten mit Schulklassen und Jugendeinrichtungen zusammen. Innerhalb von Projekttagen und Workcamps enstanden Taschen, Solarstationen, Lampen und verschiedenartige Möbel. Wir waren überrascht von der Ausdauer und Begeisterungsfähigkeit der Jugendlichen. Der Großteil empfand das handwerkliche Arbeiten und die Herstellung eines konkreten Produktes als Bereicherung. Die Arbeit mit den Jugendlichen war abwechslungsreich. Jede Gruppe, Schulklasse oder Wohngruppe hatte ihre eigene soziale Dynamik, eigenen Charme und Witz. Während des Projektes interviewten wir Jugendliche, Lehrerinnen und Erzieherinnen zu themenrelevanten Schlagwörtern. Im folgenden sind Auszüge aus den Interviews und Reflexionen aus dem Team sinngemäß wiedergegeben. Die Fotos zeigen eine Auswahl der entstandenen Produkte und geben Einblicke in die Werkstattatmosphäre.
Handarbeit
Wie toll, die kommen ja sogar wieder um etwas fertig zu machen.
Mit Bohrmaschine sollte jeder umgehen können, man will ja auch seiner Mutter mal ein Regal an die Wand hängen können.
Ich mach nix, hab ich auch so gesagt.
Wenn ich handwerklich arbeite, kann ich dabei Dinge total gut visualisieren.
Eigentlich bin ich handwerklich total unbegabt.
Wahnsinn, wie die zusammen arbeiten, drei an einem Stuhl.
Das lässt mich richtig aufleben, das kann ich auch gut.
Schade, dass es dann vorbei war.
Gibt wenige Jugendliche die WAT oder Werken in der Schule noch wirklich cool finden.
Was langweilig ist – schleifen.
Zugegeben – Wir waren skeptisch, ob wir Jugendliche dazu bringen, Hand an zu legen an Brett, Stoff und Kabel, sie zu motivieren, den Tücken des Materials zu widerstehen, dem Gegenstand etwas entgegen zu setzen, eigenen Ideen Wert beizumessen. Wir erlebten mit den Jugendlichen gemeinsam, dass verschiedenste kognitive Prozesse beim “Hand-Arbeiten” ablaufen und dass Freude und Frust gleichermaßen den Herstellungsprozess qualitativ bereichern.
Ziel
Dass ich was für mich baue, wirklich was entsteht, was ich gemacht habe.
Ich finde es gut, dass es anders ist als im Unterricht, und wir haben Spaß dabei gehabt.
Das macht viel aus.
Toll ist, wenn dann wirklich alle irgendetwas machen, wegen der Atmosphäre, egal ob kochen oder bauen.
Ich möchte was lernen, auch den Umgang mit Maschinen, für später.
Ich möchte den Freunden mal zeigen, was ich schon drauf habe.
Mein Ziel ist eigentlich, dass es schnell fertig ist.
Eines unserer Ziele war es, mit den Jugendlichen ein konkretes Produkt in kurzer Zeit herzustellen. Zugleich wollten wir Raum bieten für eigene Ideen und Experimente, Prozess und Ergebniss waren gleichwertig. In der Vorbereitung suchten wir nach Produkten, die leicht umsetzbar sind, anhand derer man Grundlegendes des jeweiligen Handwerkes erfährt, mit besonderem Design, die funktionell sind, Raum bieten für individuelle Kreationen.
Style
Wir überlegen uns was zum DIY-Schick, und die stehen dann auf Gamersessel und Schrankwand.
Es muss schon gut aussehen, und man muss es auch brauchen können.
Beim Machen kommen viele Ideen.
Es muss auch fertig werden, sonst hab ich keine Geduld.
Was ich schon habe, baue ich nicht.
Das habe ich selber gemacht – krass. Ich verkaufe das meiner Lehrerin.
Die machen auch immer was anderes als geplant.
Nö, Mofas bauen wir jetzt nicht.
Wenn ich was baue, muss es auch Style haben, soll nicht nur effektiv sein, muss ein „Schönwerk“ sein. Manchmal guck ich auch nach Anregungen im Netz.
Produkte zu planen, die wirklich gefallen, ist nicht so einfach, denn Geschmäcker sind verschieden. Bei der ersten Runde mussten wir die Erfahrung machen, das unser Do-It-Yourself-Style nicht zwangsläufig dem entspricht, was heutzutage so angesagt ist. Viele unserer Ideen und Vorschläge wurden aber aufgegriffen und in eigene Kreationen umgewandelt. Durch das Projekt und den Kontakt mit vielen Jugendlichen sind wir jetzt stylsicher und haben einige Modelle in petto, die sich geschmacklich durchgesetzt haben und die wir auch wiederholt bauen werden.
Wenn was schief geht
Wir möchten eine Atmosphäre, die es erlaubt, Fehler zu machen.
Wichtig ist, sich ausprobieren zu können.
Fehler versuch ich zu vermeiden, ich überdenke alles, und konstruiere genau.
Wenn was mal nicht stimmt, kann man ja was Neues draus machen.
Wir hatten Probleme, dass was nicht stabil war am Anfang, das hat mich echt angefressen, wir haben uns beraten und alles überdacht, dann haben wir‘s hinbekommen.
Von den Fehlern kriegt man Denkanstöße.
Bei uns ging auch einiges schief, wir haben in der Vorbereitung etliche Fehl-Gehäuse gedruckt, Kurzschlüsse erzeugt und Bretter an falschen Stellen gebohrt. Am nervigsten und Fehler -anfälligsten waren aber bestimmt organisatorische Angelegenheiten, bedingt durch ungenaue Absprachen oder Missverständnisse in der Kommunikation. Oder die Logistik bei der Terminfindung – wie bringt man alle Werkstattleiterinnen, Lehrerinnen und Schüler*innen punktgenau zusammen? In der Schlussphase des Projektes weiß man dann sowieso alles besser… für die Zukunft.
Das Drumherum
Essen hilft, wenn man mal zu sehr mit dem Gesicht in der Platine hängt, vom Löten schon ganz wummrig ist, gerne mal ein Sück Pizza zwischendurch.
Wenn man viel sägt und bohrt braucht man Proteine; grillen und alles zusammen war der rote Faden.
Ja, das ist toll, wenn alles so zusammen kommt, jeder macht was, und auch mal chillen zwischendurch.
Alle waren nett und ich glaube, die hatten echt Ahnung.
Das will ich öfter machen, war der schönste Projekttag.
Wo gehts hier zum See?
Hier gibts freies WLAN…
Die Rahmenbedingungen sind wichtig. Für uns war das Team wichtig, die gemeinsame Leidenschaft, aber auch die Geduld, die uns über manche organisatorischen Probleme hinweg trug. Humor und die nötige Selbstironie verhalf uns, so manch coolen Spruch mit einem Schmunzeln zu beantworten.
Wege zum Ziel
Handwerkliches Arbeiten, das Herstellen von Dingen, schafft Wirklichkeit und konfrontiert so auch mit eigenen Fähigkeiten (dabei ist im eigentlichen Sinne nicht zwangsläufig die Arbeit in Werkstätten gemeint, sondern grundsätzlich das Arbeiten mit den „Händen“). Belohnt wird man sowohl mit Freude über die eigene Arbeit, als auch mit einer Verankerung in der Realität – sprich der Fähigkeit, selbst Hand anlegen zu können, wenn etwas nicht „funktioniert“ oder fehlt. Im Umgang mit den Jugendlichen zeigten sich uns verschiedene psychologische und soziokulturelle Aspekte, die den Prozess des Selbermachens begleiten.
Soetwas kann ich nicht
Bei vielen Jugendlichen erlebten wir eine unbegründete Ehrfurcht vor dem fertigen Produkt, ein fehlendes Vorstellungsvermögen über einfache Fertigungsmethoden und zugleich fehlendes Selbstvertrauen in eigene handwerkliche Fähigkeiten.
Dass ein Schrank, ein Gerät und ebenso eine Tasche aus einzelnen überschaubaren Teilen zusammengesetzt ist, löste oftmals den Aha-Effekt aus. In der Holzwerkstatt hatten wir einige schöne Erlebnisse: Nachdem sich einige Mädchen an Kappsäge und Akkuschrauber heran getraut hatten, wuchs das Selbstbewusstsein und auch zartere Mädchen fühlten sich dem Material Holz und den „gefährlichen“ Werkzeugen gewachsen.
Beim Nähen gab es immer wieder Erstauen, wenn die genähten Exemplare von links auf rechts gedreht wurden und plötzlich alles „richtig“ und „ordentlich“ aussah.
So soll es sein
Mit dem Handy in der Hand klickt man sich so durch und nahezu alles ist mit dem nötigen Geld verfügbar. Da wir mit unserer Präsenz aufmunternd und motivierend agierten und auch mit hilfreichen Kenntnissen unterstützten, waren einige Jugendliche der Meinung, alles ist umsetzbar.
Auch hier fehlte es an einer realistischen Vorstellung von Fertigungsmethoden und auch dem eigenen Können. Den Jugendlichen dann sanft auf den Boden der Tatsachen zu holen, ohne dass er alles hinschmeißt, war eine Herausforderung und bedurfte pädagogischer „Beziehungsarbeit“. Hilfreich war es dann mitunter, dass man genug Zeit hatte, um an einem Konsens zu arbeiten.
Ohne oder mit Plan drauf los
Bei einigen wenigen Jugendlichen wussten wir anfangs nicht, sind es die totalen Könner oder haben sie einfach keine Lust auf „Betreuung“. Sie kamen mit fertigen Plänen und Ideen und beanspruchten nur selten unsere Hilfe, sie präferierten Raum und Möglichkeit, um sich selbstständig nach dem trial-and-error-Prinzip zu betätigen. Zwischendurch fehlte es dann auch mal an Gliedern in der „Ursache-Wirkungskette“ oder es gab auch ein paar Kurzschlüsse. Erfreulicherweise waren jene Jugendliche sehr ausdauernd in der Umsetzung ihrer Projekte und sie besuchten in Folge auch noch die offenen Werkstätten.
Was dabei entstand
Solarhaus
Unser Solarhaus wurde eigens für das Projekt entworfen. Die Jugendlichen lernten elektronische Bauteile kennen und probierten sich im Löten aus. Gängige Modulbauweise, Funktion und Design von Gehäusen konnte den Jugendlichen verständlich gemacht werden.
Das Gehäuse haben wir aus Multiplexplatten mit der CNC-Fräse ausgeschnitten. Die Elektronik besteht aus zwei Solarzellen, einer Batterie, einer LED und dem Laderegler. Der Laderegler schaltet bei Anbruch der Dunkelheit die LED.
Bauteile und Links sowie Vorlage für die CNC-Fräse.
Große Powerbank
Die Powerbank war eine echte Herausforderung, das Löten war an manchen Stellen schon sehr knifflig, ebenso die Entwicklung des Gehäuses. Das Projekt wurde initiiert und begleitet von einem 15-jährigen Elektro-Freak, der seinen Klassenkameraden und uns mal was wirklich Praktisches zeigen wollte und vor allem konnte.
Die Powerbank funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie das Solarhaus, nur verwendeten wir leistungsfähigere Lithium Akkus. Die Powerbank kann zusätzlich mit einem externen Netzteil geladen werden und man kann Geräte zum Aufladen anschliessen (Handy, Tablet, E-Book etc.). Das Gehäuse haben wir entworfen und mit unserem 3D-Drucker ausgedruckt.
Kleine Powerbank
Die kleine Powerbank hat nur zwei Lithium-Akkus, dafür aber einen Anschluss für externe Solarzellen. Wie auch die große Powerbank kann sie mit einem externen Netzteil geladen werden und man kann Geräte zum Aufladen anschließen (Handy, Tablet, E-Book etc.). Das Gehäuse haben wir ebenfalls selbst entworfen und mit unserem 3D-Drucker ausgedruckt.
Gürteltasche
Die schönen Farben und Muster der Stoffe verursachten bei den Jugendlichen einen Kreativ-Flash. Sie erfanden immer neue Kombinationen und entwickelten ein flexibles Tragedesign. Zu den offenen Werkstätten kamen dann einige Mädchen wieder, um noch weiter zu nähen. Bei der Herstellung der Taschen lernten die Jugendlichen, Schnittmuster zu zeichnen, anhand derer sie die Maße auf die Stoffe übertrugen. Gängige Nähte und die grundlegende Bedienung einer Nähmaschine konnten erlent und geübt werden.
Das Mädchen, das diese Tasche genäht hat, studiert bereits in Deutschland Sozialwissenschaften. Sie bekam im Projekt Anregungen für die soziale Arbeit, die Verbindung von Pädagogik und kreativem Schaffen.
Die Schnittmuster für zwei Taschenmodelle wurden eigens für das Projekt entworfen. Die kleinere Tasche ist sowohl mit Träger als auch mit Gürtel tragbar und wurde im Laufe des Projektes von den Teilnehmerinnen selbst entwickelt. Individuell wurden auch die Maße geändert, so dass die Smartphones in die kleine Tasche passten. Die große Tasche ist eine Wendetasche. Diese wurde nur ein einziges Mal ausgewählt. Vielleicht nicht trendy genug?
Ein Teilnehmer war mit keinem der Designs trotz Abwandlungsmöglichkeiten zufrieden und machte sich im Internet auf die Suche nach Taschenmodellen. Er machte die Erfahrung, dass für die konkrete Umsetzung entsprechende Materialien notwendig sind und ebenso auch ein Schnittmuster oder eine Konstruktion zur Verbildlichung der Idee dient. Die Fähigkeit von Vorhandenem aus zu denken und trotzdem tolle Ergebnisse zu erzielen bedarf einer gewissen Übung.
Die verschiedenen Gruppen reagierten sehr unterschiedlich auf die farbenfrohe Stoffauswahl. Manche ließen sich davon inspirieren und dachten intensiv über die richtige Kombination nach. Andere vermissten mehr schwarze Stoffe in unterschiedlichen Materialien.
Zu den offenen Werkstätten kamen einige Mädchen wieder, um das Nähprojekt zu beenden oder etwas Neues zu entwickeln. Bei der Herstellung der Taschen lernten die Jugendlichen, Schnittmuster zu zeichnen, anhand derer sie die Maße auf die Stoffe übertrugen. Gängige Nähte und die Bedienung einer Nähmaschine konnten erlernt und geübt werden.
Große Bank
Die große Bank entstand nach einer Vorlage von Enzo Mari. Bei der Skizze bedarf es ein wenig räumlichen Vorstellungsvermögens, um die einzelnen Bretter dann richtig zu platzieren. Hat man erst einmal den Grundaufbau vor Augen wird es einfacher. Einen Teil der Bretter hatten wir vorbereitet. Die Kinder konnten selbstständig an der Kappsäge fehlende Bretter zusägen. Mit der Handsäge wurde nachgearbeitet, zum Schluss gab es einige Schleifarbeit. In der Bedienung des Akkuschraubers waren nach der Bank alle Profis, bei so vielen Schrauben!
Gartenliege
Die Idee stammte von einem Jugendlichen, der keine Lust hatte, einen Stuhl zu bauen. Er drehte eine Runde über das Gelände und war dann sicher, dass er eine Liege brauche, zum Chillen im Garten. Gemeinsam mit unserer Werkstattleitung wurde die Liege nach seiner Idee entworfen und von ihm mit viel Geduld gebaut. Der Bau der Liege erforderte Präzisionsarbeit und exakte Planung. Die Bretter durfte der Junge nach Maschineneinweisung selber an der Formatkreissäge ablängen.
Stuhl und Hocker
Stühle und Hocker entstanden in etlichen Varianten. Wir bauten unter anderem Stühle von Enzo Mari nach. Er schuf gut durchdachte Möbel. Die Modelle verdeutlichen gängige Konstruktionen des Möbelbaus und sind durch den Verzicht von klassischen Holzverbindungen unkompliziert in der Herstellung. Sie ermöglichen die Verwendung von gebrauchten Brettern und laden ein zum kreativen Experimentieren.
Kleiner Schrank
Ein Junge hatte die Idee, einen eigenen Schrank für seine Lieblings-Sneakers zu bauen. Da er nur ein kleines Zimmer hat war er begeistert, eine individuelle Lösung baulich umsetzen zu können. Optisch bevorzugte er einen minimalistischen Kubus. Als er sich in der Werkstatt umsah entdeckte er ein Rundholz aus dem er die Füße zurecht sägte. Anhand dieses einfachen Schrankes lernte er genaues Vermessen und die Handhabung eines Winkels zur Übertragung der Maße. Auch den Umgang mit einem Akkuschrauber hat er gelernt.
Kleiner Kasten
Der Kasten soll Hefte und Blätter auf dem Schreibtisch ordentlich verstauen. Derzeit muss die chinesische „Gestalterin“ viel lernen für ihr Ziel, ein deutsches Abitur zu schaffen. Der Anblick des Kastens hilft ein bisschen beim Lernen und bei der Visualisierung ihres Ziels. Die Arbeit mit Werkzeug und Maschinen hat sich die Schülerin zuvor gar nicht zugetraut, das Planen und Materialisieren ihrer Idee war eine neue Entdeckung für sie, und die Freude darüber teilte sie uns ganz unmittelbar mit.
Hochbeet
Viele Jugendliche hatten große Lust, in der Schule oder der Jugendeinrichtung zu gärtnern, der Bau eines Hochbeeetes war also naheliegend und erfüllte eine konkrete Funktion. Bei dem Bau des Hochbeeetes mussten die Jugendlichen ihre Bretter individuell und eigenständig zuschneiden, je nach Vermögen, Alter und Lust an der Kappsäge oder auch mit der Hand. Das Zusägen von Brettern war dann am Ende gut eingeübt.
Für mache Jugendliche war der Bau eines großen Hochbeetes einfach auch mal pure Freude an Größe und Masse. “Es musste einfach mal eine ganz große Kiste sein, mal so richtig ranklotzen.” Die im Frühling entstandenen Hochbeete beheimaten schon Tomaten und Gurken.
explore – Offene Werkstatt für alle! ist ein Projekt des Verbund Offener Werkstätten e.V., gefördert von der Drosos Stiftung in Kooperation mit der anstiftung.